Der Begriff des „Digitalnomaden“ wird immer bekannter, auch „ortsunabhängige Arbeit“ genannt. Schlüssel ist dabei das Internet und die Möglichkeit rein digital zu arbeiten. Hier ein paar Tipps und Tricks aus der Praxis:
Backups: Alles, immer und überall
Was ist, wenn die Hard- oder Software unterwegs streikt, aber Termine und feste Vereinbarungen im Nacken sitzen? Genau, es geht hier nicht nur um eine simple Sicherheitskopie, sondern um ein redundantes Netz, das eine permanente Handlungsfähigkeit gewährleistet. Dazu gehe ich folgendermaßen vor:
Hardware
Zwei Laptops sind bei mir Standard. Falls einer ausfällt, hat man immer noch ein Ersatzgerät, und wenn beide laufen, hat man zwei Bildschirme. Auch wenn es gerade keinen Strom gibt, kann man mit mehreren (aufgeladenen) Geräten sich über längere Strecken hinweg „retten“. Die Akkulaufzeit von mobilen Geräten ist generell mit Vorsicht zu genießen: Wenn ein Hersteller z.B. eine Laufzeit von 5 h angibt, so ist der Akku garantiert innerhalb von 30 min unter Vollast (z.B. Videos rendern) leer gezogen, auch wenn der Bildschirm dabei ausgeschaltet ist :-O
Kabel gehen gerne genau dann kaputt, wenn es absolut nicht sein darf. Mehrere micro-USB Kabel (Kameras und Smartphone laden bzw Datenübertragung) sind immer im Gepäck.
Ein Ersatzakku fürs Smartphone – wohl dem, der einen wechselbaren Akku hat – ist ebenfalls immer dabei, Power-Banks sind mir zu umständlich geworden – zu groß, zu schwer und zu viele davon sind nach einem unsanften Absturz zerstört worden (die Akkuzellen leben alle in meiner Modellbauwelt weiter).
Internet
WLAN ist eine kritische Größe – wie schnell ist die Verbindung im Down- und Upstream? Wie groß sind Latenzzeiten? Ist die Verbindung stabil? Gibt es Volumenbegrenzungen? Wenn ja, wie schnell ist die gedrosselte Verbindung oder wird gleich hart getrennt? Wie weit bin ich vom WLAN-Router entfernt? Um möglichst guten Empfang zu haben, nehme ich zusätzlich eine USB-WLAN-Antenne mit, die sich bei Bedarf an einem Ort mit besserem Empfang platzieren lässt. Schluss mit herumlaufen-und-suchen-wo-das-Netz-ist-und-dann-auf-senden-klicken …
Das lokale Mobilfunknetz nutze ich als Backup, falls es Probleme mit dem WLAN geben sollte (Stromausfall, Verbindungsabbrüche usw.), zu diesem Zweck stelle ich dann mit dem Smartphone ein WLAN-Hotspot her und verbinde alle Rechner mit ihm. Danke an die EU an dieser Stelle für die Abschaffung der Roaming-Gebühren ab Mitte 2017!
Daten – alles Cloud oder was?!
Um mich vor Datenverlust zu schützen, habe ich alle wichtigen Arbeitsdaten grundsätzlich nur in Cloud-Umgebungen gespeichert und auf alle genutzten Endgeräte synchronisert. Dazu nutze ich ownCloud oder nextCloud und somit sind die Daten auf meinem eigenen Server unter meiner Kontrolle. So bin ich unabhängig von Diensten wie iCloud, GoogleDrive, oneDrive oder Dropbox, die alle ihre eigenen Begrenzungen mitbringen und für mich aus Privatsphäre-Sicht extrem bedenklich sind. Kritiker mögen einwenden, dass mein Smartphone doch sowieso einem der großen Hersteller (Microsoft, Google oder Apple) gehört – stimmt. Aber nicht alle meine Daten!
Zwischen verschiedenen Geräten bei der Arbeit hin und her wechseln ist also kein Problem, da überall stets der letzte Stand einer Datei verfügbar ist. Selbst wenn all meine Hardware streiken sollte, auch an einem fremden/neuen Rechner kann ich über den Browser an meine Daten gelangen und weiter arbeiten (Zugangsdaten natürlich immer im Kopf!).
Private SSH-Keys speichere ich nicht in meiner Cloud, da in meinen Augen dieser Schritt die Idee von Schlüsselpaar-Authentifizierung aushebeln würde. Auch sichere ich die privaten Keys nicht auf USB-Sticks oder drucke sie sogar aus …
Wie komme ich also an meine Server, wenn meine Rechner ausfallen? Dieser Extremfall ist durch den Fakt, dass die Laptops mit den Keys sowieso doppelt vorhanden sind, hoffentlich sehr sehr selten oder rein theoretischer Natur. Trotzdem, auch hier gibt es einen Weg: Ausgehend davon, dass ich einen neuen Rechner erhalte, generiere ich hier neue Schlüsselpaare und Kollegen von mir platzieren den public-key auf den Servern.
Großvolumige Daten (z.B. Videos) lassen sich meist nicht ins Netz schaufeln, also werden sie auf unterschiedlichen Datenträgern gespeichert.
Alle E-Mail-Accounts sind bei mir notfalls auch über Web-Dienste erreichbar (Mail-App innerhalb von ownCloud/nextCloud oder Microsoft Outlook Web Access für Exchange Server), ich bin also nicht auf lokale Mail-Clients angewiesen. Ausnahme: PGP-verschlüsselte Mails. Diese kann ich wirklich nur auf den Rechnern öffnen, auf denen PGP eingerichtet ist, da auch diese Schlüssel nicht irgendwo bei mir als Backup mit herum getragen werden – die Gesamtheit aller eingerichteten Gerät dient als Backup untereinander.
Test your backup!
Ein Backup-Netzwerk zu erstellen und zu betreiben ist eine Sache. Ganz wichtig ist es in meinen Augen, dieses Netzwerk regelmäßig zu testen, denn nur so offenbaren sich Schwachstellen und der eigene Kopf bleibt kreativ, wie sich ein Problem lösen lässt. Ein Backup, das nie getestet/nicht wieder herstellbar ist, ist in meinen Augen kein Backup!
Disziplin & Motivation
Wenn das Meer, Felsen oder andere attraktive Ziele locken, mag es schwer fallen, sich all dem zu entziehen und sich vor den Bildschirm zu setzen. Arbeiten unter Palmen ist sowieso eine Illusion, denn es ist draußen einfach zu hell, um etwas auf einem Display vernünftig erkennen zu können. Es sei denn, es ist dunkel oder bewölkt – und nicht zu windig und kalt.
Manchmal muss ich ganz gezielt „Nein“ sagen und mich für die Arbeit zurückziehen, Nachtschichten einlegen oder ganz schnell zwischen Arbeit und Freizeit hin und her wechseln können. Die Umgebung, Klima und Ambiente entschädigen in der Regel aber sofort und macht die „Nachteile“ gefühlt sehr klein, denn unterm Strich ist das digitale Nomadenleben für mich vor allem eines: Freiheit! Und Freiheit ist Luxus.
Wer nicht aus eigenem Antrieb und selbstständig arbeiten kann, sondern nur unter Zwang und Druck Resultate abliefert, dem empfehle ich kein digitales Nomadenleben.